ip-koordination:beitrag20091122

Die IP-Koordination DL - Entstehung, Entwicklung, neue Herausforderungen
                               von
       Thomas Osterried DL9SAU und Egbert Zimmermann DD9QP

Digitale Übertragungsverfahren haben unseren technischen Fortschritt stets
begleitet. Sie hatten viele Gesichter: RTTY, Amtor, GTor, Pactor.
Viele dieser Betriebsarten waren ursprünglich kommerzielle oder militärische
Verfahren. Einige davon wurden an unsere Bedürfnisse (Bandbreite, 
Rufzeichencodierung usw..) angepasst.

Gegen Anfang der 80'er Jahre trat ein neues Gefährt auf die Bühne: Packet-Radio.
Grundlegend neu an dem Packet-Radio-Verfahren war, dass die zu übertragenden
Daten in einzelne "Pakete" variabler Länge aufgeteilt werden können und die
Pakete einen Kopf haben, der Angaben über den Datentyp und über Herkunft und
Ziel des Datenstroms enthält. So läßt sich ein Funkkanal gleichzeitig von
mehreren Datenströmen (QSOs) nutzen. Mit diesem Verfahren können ausnahmslos
alle 256 Zeichen unseres 8-Bit-Zeichensatzes übertragen werden. Das ermöglicht
die Übertragung beliebiger binärer Daten ohne weitere Umwandlung.

Ein Protokoll wurde entwickelt, das dafür sorgt, dass die Pakete fehlerfrei
und vollständig ihr Ziel erreichen. Wenn nötig werden sie erneut übertragen oder
aber die Verbindung aktiv beendet. Das Protokoll heißt AX.25 und ist eine
Erweiterung des X.25 Protokolls (ITU Standard). Dabei steht das "A" für 
"Amateur", weil es von Funkamateuren auf unsere speziellen Bedürfnisse
angepaßt wurde. AX.25 wurde seinerzeit dem TAPR (Tucson Amateur Packet Radio)
Kongress vorgestellt und zeichnet sich durch ein offenes und gemeinsam
erweiterbares Design aus.

Über ganz DL verteilt hatten wir bald ca. 400 Digipeater-Standorte. Drumherum 
entwickelte sich, neben der Betriebstechnik des QSO von OM zu OM, eine breite
Infrastruktur wie Mailbox (BBS), DX-Cluster, Convers, Funkruf, Wetterstationen,
uvam. Eine Art Renaissance erlebt AX.25 seit einigen Jahren durch die Verwendung
beim APRS-Verfahren (Automatic Packet Reporting System), welches den Datagram 
Mode und die "Digipeating"-Funktionalität von AX.25 nutzt, um darin sein
erweitertetes Datenformat zu übertragen.

AX.25 ist, wie z.B. das bekannte Ethernet, gemäß dem ISO/OSI Schichtenmodell etwa
auf Layer 1-2 angesiedelt. Jedes AX.25 Paket enthält eine Protokoll-ID. Damit
lassen sich auf einer Verbindung gleichzeitig unterschiedliche sogenannte Layer 3
Protokolle übertragen, ohne dass diese sich ins Gehege kommen.

Die Übertragung von Daten mit TCP/IP, dem Protokoll des Internets, wurde von
einigen OMs von Anfang an auch hierzulande praktiziert. Zu Beginn der 90'er
Jahre war TCP/IP in DL allerdings zunächst eher eine Nischenspielart in manchen
Packet-Radio Hochburgen. Erst einige Jahre später zeigte sich, welch enorme
Innovationskraft des Amateurfunks auch von zunächst kleinen Projekten
ausgehen kann:

1. Anfang der 90'er Jahre verkaufte die Deutsche Bundespost noch BTX, und es gab
allenfalls Schnittstellen für elektronische Post (Mail) in andere Datennetze
(Internet, UUCP, Compuserve, FidoNet, usw.).
2. Der eine oder andere mag sich noch an die Software für Intel286 DOS PCs von
Phil Karn, KA9Q, erinnern, die AX.25 und TCP/IP in einem Programm mit dem Namen
"NOS" (Network Operating System) zusammenfasste und weit über die Amateurfunk
Community hinaus bis in den professionellen Bereich weltweite Verbreitung fand.
3. Auch fachfremde Funkamateure lernten die Funktionsweise von Protokollen kennen,
die auch heute noch das Internet zusammenhalten. Als Funkamateur schaut man
in die Daten hinein, versucht zu verstehen weshalb was wie abläuft und versucht
Lösungen zu finden, um unnötiges Datenaufkommen auf den anfangs noch langsamen
Funkkanälen zu vermeiden.

Die Übertragung von TCP/IP in AX.25 basierten, langsamen Funknetzen geht mit
einer Reihe von Nachteilen einher. Für die Verwendung von TCP/IP sprechen aber
auch handfeste Vorteile.

Nachteile von TCP/IP in AX.25 basierten Netzen

   1. AX.25 Pakete sind klein (max. MTU 256 Bytes) und aus einer Reihe von
   technischen Gründen nicht vergrößerbar. Der sogenannte "Overhead" durch
   den AX.25-Protokollheader ist im Verhältnis zum eigentlichen Inhalt eines
   Datenpaketes recht gross.

   2. Die TX-Delay ist hoch. Das ist die nötige Zeitverzögerung, damit der
   eigene Sender eingeschwungen ist und der Empfänger sich auf das zu empfangende
   Datenpaket synchronisieren kann.

   3. Unser PR-Netz hat mit 1200 Bit/s Datenübertragungsrate angefangen und wurde
   bald auf 9k6 ausgebaut. 19k2 und höher gab es, von wenigen Ausnahmen
   abgesehen, nur auf Interlink-Funkstrecken zwischen den Digipeater-Standorten.

   4. Wenn das Routing nicht stimmt (wie kommt OM DL1AAA zu OM DL2BBB?), dann
   ist eine Kommunikation nicht möglich. Routen mussten lange von Hand gepflegt
   werden - mit der Tendenz zum Veralten. Manchmal, wenn die HF-Bedingungen
   schlecht waren, routete der AX.25 Layer den Nachbar-Digi über eine längere
   Strecke. Deutlich höhere Paketlaufzeiten waren dann die Folge. Das ist ein
   grundlegendes und nicht lösbares Problem, wenn man mehrere geroutete
   Protokolle übereinander stapelt.

Diese 4 Punkte können sich potenzieren, was dann teils zu weiteren Problemen
führt. Beispielsweise besitzen connectete AX.25 Verbindungen Timer. Das
Transportprotokoll TCP hat ebenfalls eigenständige und von tieferen Layern
im ISO/OSI Schichtenmodell unabhängige Timer. TCP "weiss" nicht, dass der
Funkkanal schon seit längerer Zeit belegt ist. Läuft der TCP-Timer ab, dann wird
versucht, das Paket erneut zu übertragen. Doch das AX.25 Protokoll versucht
möglicherweise immer noch, das Original-Paket und die letzten beiden TCP-Polls
(und jetzt auch noch diesen weiteren) an die Gegenstation auszuliefern. Daten
werden so auf den ohnehin recht langsamen Funkverbindungen unnötigerweise
mehrfach übertragen. Deshalb wurde TCP/IP im Amateurfunk oft als zu zäh
empfunden und in manchen Regionen nicht gern gesehen.

Vorteile von TCP/IP im Amateurfunk

   1. Es handelt sich um eine zukunftsweisende Technologie. Das Internet
   hat überlebt. BTX, Compuserve, usw. jedoch nicht.

   2. Die Protokolle und Verfahren sind standardisiert und für jedermann
   weltweit verfügbar.

   3. Es besteht die Möglichkeit zur Nutzung bestehender, mächtiger
   Anwendungssoftware für alle Betriebssysteme.

   4. Wir haben langjährige Erfahrung, d.h. wir kennen auch "Fehler" aus der
   Vergangenheit, die uns bei der Planung von (Amateurfunk-)Netzen der nächsten
   Generation helfen werden (s. Hochgeschwindigkeitsnetz HAMNET).

   5. Software, die wir aus AX.25 Netzen kennen, wurde bereits für TCP/IP basierte
   Dienste angepasst oder es existieren geeignete Gateway-Programme. BBS 
   Nachrichten mit einem E-Mail-Programm zu empfangen, BBS News mit einem
   Newsreader zu lesen, den DX-Cluster mit dem Webbrowser zu bedienen, oder im
   Convers-Netz mit einem IRC-Client zu chatten ist kein Problem mehr. Lediglich
   für das "Surfen" im AX.25 Netz mit dem Webbrowser (HamWEB hießen die Projekte)
   überwogen die Nachteile.


44/8 und die IP-Koordination DL

Das 44/8 Netz (damals nannte man diese Netze noch "Class A") wurde Mitte der
80er Jahre weltweit dem Amateurfunk zugewiesen. Das Netz wird von Brian Kantor,
WB6CYT, betreut (siehe  http://www.ampr.org/ ) und ist mit der Domain
"ampr.org" verknüpft. IP-Adressen müssen eindeutig sein, Doppelvergaben sind
unbedingt zu vermeiden. Anderenfalls wäre eine überregionale oder gar
weltweite Verbindung von Teilnetzen nicht mehr möglich. Genau wie im Internet
ist deshalb eine zentrale Koordination unvermeidlich. Daher gibt es in jedem
Land einen zuständigen, nationalen Koordinator, der von Brian Kantor
authorisiert ist.

Seit 1987 nutzen wir Funkamateure in DL den IP Adressbereich 44.130/16, der
anfangs von Ralf D. Kloth DL4TA koordiniert wurde. Nach 10 Jahren hat Ralf die
Koordination an Detlef Brunkel DH9KAE abgegeben. 1999 übernahm dann Fred
Baumgarten DC6IQ diese Aufgabe. Die wichtigste Weiterentwicklung in dieser Zeit
war die Einführung von regionalen Subzonen in die ursprünglich "flache" Domain
ampr.org.

Seit 2003 haben wir in DL ein Team, das sich um die deutschlandweite
Koordination der Vergabe von IP-Adressen aus dem 44/8-Netz kümmert. Das
Team besteht aus Egbert DD9QP, Thomas DL3SBB und Thomas DL9SAU. Die IP-
Koordination DL arbeitet verbands- und vereinsübergreifend und stützt
sich auf das Vertrauen der Regionalkoordinatoren und Nutzer. Dieses wurde in
einer Abstimmung, zu der im Packet-Radio-Netz aufgerufen wurde und an der sich
jeder Funkamateur beteiligen konnte, ausgesprochen.

Blicken wir zurück, hat seit mehr als 20 Jahren diese Selbstverwaltung
reibungslos und zuverlässig funktioniert.

Eine der Aufgaben der IP-Koordination in DL besteht darin, Kontakt mit den
Regionalkoordinatoren zu halten. Regionalkoordinatoren entscheiden über die
Struktur ihres Netzes und die Vergabe der IP-Adressen in ihrer Region
selbstständig. Heute zählen wir 103 Regionen. Wenn in einer Region der
Koordinator nicht mehr erreichbar ist, dann kümmert sich die IP-Koordination
darum, dass sich in der Region wieder ein Koordinator findet.

Änderungen werden über den Internetstandard DNS (Zonetransfer) im
automatisierten Verfahren auf einen der fünf der Region am nächsten gelegenen
DNS-Hubs (Hub Nord, Süd, West, Ost, Mitte) übertragen. Hier werden die aus den
Regionen gemeldeten Änderungen gesichtet und an die zentrale Instanz, den 
Nameserver auf hamradio.ucsd.edu, weitergeleitet.

DNS ist einer der wichtigsten Dienste in einem TCP/IP-basierten Netz. Er setzt
eine IP-Adresse (z.B. 44.130.146.100) in einen leicht zu merkenden Namen um
(z.B. db0res.ampr.org). Gibt es keinen DNS, kennt man die Adresse nicht und man
kann den gewünschten Dienst nicht erreichen. Um die Antwortzeiten kurz zu halten,
sollte innerhalb eines jeden Netzabschnittes ein Nameserver zur Verfügung stehen.
Schon allein deshalb bot es sich an, auf dem Wege des DNS-Zonetransfer Änderungen
aus der Region nach "oben" zu vermitteln, weil es einen lokalen DNS aus obigen
Gründen ohnehin geben soll. Ferner ist die Änderung in der jeweiligen Region
unmittelbar bekannt. Neue Stationen können praktisch sofort testen und arbeiten,
ohne auf die "endgültige" Eintragung bei ucsd.edu warten zu müssen.

Das vor unserer Zeit von DC6IQ eingeführte Subzonen-Konzept (rr.de.ampr.org)
war eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen. An dieser Stelle ein
herzliches Dankeschön für die damit verbundenenen Mühen und die geleistete
Arbeit. Wir haben dieses in DL eingesetzte System erweitert und optimiert.
Zentraler Ansatzpunkt war die Einführung von 5 "DNS-Hubs", die die "kreisende"
Erneuerung veralteter oder gar ungültiger Informationen (eine Schwäche des DNS)
wirksam verhinderten. Als nationale IP-Koordination haben wir die Regionen bei
der Konfiguration und Wartung ihrer Nameserver unterstützt. Nach vielen Jahren
reibungslosen Betriebes stellen wir fest, dass sich der Ansatz in unserem
schwerpunktmässig funkgestützten Amateurfunknetz bewährt hat.

Näheres zur Geschichte und Technik der IP-Koordination in Deutschland lässt
sich auf der Internetseite http://www.de.ampr.org nachlesen.


Neue Aufgaben im Wandel der Zeit

Unser altes PR Netz wurde mit seinen langsamen Übertragungsraten den
gestiegenen technischen Anforderungen nicht mehr gerecht und es erscheint heute
dem ein oder anderen zunehmend "unattraktiv". Neue Entwicklungen im Amateurfunk
(ATV-Streaming, D-Star-Vernetzung, Echolink u.a.) erfordern höhere Datenraten,
die das in besten Zeiten sich quer durch ganz Europa erstreckende
Packet-Radio-Netz nicht mehr bereitstellen konnte. Dies führte innerhalb des
Amateurfunks zu Parallelentwicklungen, während man im kommerziellen Bereich
versuchte, verschiedene Dienste in ein einheitliches, voll digitalisiertes Netz
zu integrieren. So kam es, dass das PR-Netz schon mehrfach in einzelnen Regionen
für tot erklärt wurde, während in anderen Regionen neue OMs das Netz wieder
ausbauten. Sicherlich haben wir viele ehemalige PR-Nutzer "ans Internet"
verloren. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass das Internet Bezahlware ist.
In unseren eigenen Datennetzen auf eigenen Frequenzen können wir jedoch
untereinander kostenlos miteinander kommunizieren, eben Amateurfunk betreiben.

Oft überlegten wir uns wie es wäre, wenn wir schnellere Datenraten hätten.
Meist endete es im Betrachten des Henne-Ei Problems: Ohne schnelle Zugänge für
Nutzer müssen wir keine schnellen Linkstrecken aufbauen. Ohne schnelle
Linkstrecken machen jedoch Hochgeschwindigkeitszugänge für Nutzer keinen Sinn.

Derzeit erlebt das Interesse an Hochgeschwindigkeitsverbindungen jedoch einen
Boom. Qualitativ hochwertige "WLAN" Hardware ist zwischen 50 und 100 Euro zu 
haben. Wir beobachten diese technische Entwicklung schon über Jahre. Der Einsatz
dieser Hardware mit 20 MHz Bandbreite war aber in Deutschland nicht genehmigungs-
fähig. In den Bandplänen der für diese Technik interessanten Mikrowellenbänder
wurde für digitale Übertragungen eine maximale Bandbreite von 10 MHz vorgesehen
und von der Genehmigungsbehörde festgeschrieben. Mittlerweile gibt es jedoch
bezahlbare Hardware, die auch mit 5 oder 10 MHz Kanalbandbreite arbeitet - und
schon stehen wir Funkamateure in den Startlöchern.

Welche Möglichkeiten Übertragungsraten zwischen 1.5 MBit bis 54 MBit (die
Bandbreitendiskussion ist derzeit in vollem Gange) für unser Hobby bieten, ist
zur Zeit noch schwer abzusehen. Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.
Schon heute erfüllt ein solches Netz jedoch all unsere Träume: Fonierelais-
vernetzung (EchoLink, D-STAR, IRLP, Allstarlink) ohne Internet über unsere
eigene Infrastruktur, störungsfreie Rundsprüche als digitaler Broadcast, 
Echtzeitverbindungen der bisher isolierten Welten ATV (insbesondere D-ATV)
mit PC und Web-Cam im HAMNET, SSTV, Steuerung und Nutzung entfernt abgesetzter
Empfänger weit ausserhalb der in Städten stark verbreiteten PLC-Störungen
(oder ähnliche), und vieles andere mehr.

Zur Frage der Rückwärtskompatibilität: Selbstverständlich kann das HAMNET
auch das AX.25 basierte PR-Netz ohne Abstriche "tunneln". Es existieren
bereits Standards wie axip, axudp, axtcp und bpqether. Eine Entscheidung 
"pro HAMNET" am Standort ist also keine Entscheidung "kontra klassische 
PR-Nutzereinstiege in 1k2 oder 9k6".

In Deutschland stand die Packet-Radio-Tagung in Darmstadt im April 2009 bereits
ganz im Zeichen dieses Trends. Kurz vorher ging in OE schon ein modernisiertes
Hochgeschwindigkeitsnetz in Betrieb, welches dort das bisherige PR Netz ablöst
und neue Dienste (s. oben) integriert hat. Die österreichischen OMs nannten es
"HAMNET", um Assoziationen wie "WLAN == kostenloses Internet" bewusst zu
vermeiden.

Näheres siehe http://wiki.oevsv.at/index.php/Kategorie:Digitaler_Backbone

Hier in DL begann der Aufbau eines schnellen Backbonenetzes mit dem Anschluss
der Regionen Oberbayern und Niederbayern an das österreichische HAMNET. Nahezu
zeitgleich gab es Entwicklungen im Gebiet der Nordlink (Region Hannover), in
Franken, Rhein-Ruhr (Niederrhein und Ruhrgebiet), sowie Berlin. Gerade neu
hinzugekommen ist die Region Schwaben. Aus mehreren anderen Regionen erreichen
uns nahezu täglich Anfragen zur Realisierbarkeit des TCP/IP-gestützten HAMNET.


HAMNET und die IP-Koordination DL

Mit der Entwicklung des HAMNET haben wir uns im Team der IP-Koordination in DL
den neuen Herausforderungen gestellt.

Entwicklung und nahezu zeitgleicher Aufbau eines "HAMNET" in zahlreichen
Regionen Deutschlands darf nicht zu Insellösungen führen. Deshalb müssen von
allen beteiligten Aktivitätsgruppen beim Netzaufbau von Anbeginn an
Routingkonzepte berücksichtigt werden, damit Interoperabilität und
Erreichbarkeit auch in Zukunft flächendeckend sichergestellt sind. HAMNET ist
genau wie das Internet im zentralen Kern ein rein TCP/IP-gestütztes Netz. Damit
werden zentrale Internetprotokolle wie DNS und automatisierte Routingprotokolle
wie BGP, OSPF oder RIP im Amateurfunkdienst ganz automatisch wichtiger als je
zuvor. Genau wie im Internet müssen auch im HAMNET von einer zentralen Stelle
aus IP-Netze und AS-Nummern für das BGP-Routing zugeordnet und den einzelnen
Aktivitätsgruppen zugewiesen werden.

Genau dies war immer schon das Kerngeschäft und die Hauptaufgabe der
IP-Koordination in DL. Es geht uns um die Zusammenarbeit und verbands- und
vereinsübergreifende Unterstützung aller Gruppen, die am Aufbau von Teilen eines
flächendeckenden HAMNET beteiligt sind. Dabei wollen und können wir nicht bis
ins kleinste Detail die technische Umsetzung des Netzes vorschreiben, aber wir
müssen unbedingt sicherstellen, dass man von A über B auch nach C kommt.

Routing ist nämlich nicht nur eine Herausforderung innerhalb der Region oder
zwischen benachbarten Regionen. Amateurfunknetze kennen keine Grenzen eines
Landes. Wir müssen schon bei der Planung eines HAMNET "global denken". Deshalb
müssen wir uns in grundlegenden und wichtigen Fragen mit unseren Nachbarn
absprechen und einigen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, haben wir uns doch schon
seit Jahren mit unserem Packet-Radio-Netz mit unseren Nachbarländern und auch
international abgestimmt - nicht nur in Fragen wie IP oder AX.25. Ohne
Absprachen und Koordinationsarbeit wären auch die weltumspannenden Netze wie
Convers oder DX-Cluster nicht möglich gewesen.

In den letzten Monaten haben wir im Team der IP-Koordination in DL auf der
Basis von länderübergreifenden Absprachen und internationaler Standards ein
Konzept für die IP- und Routingkoordination für das HAMNET in DL entwickelt, das
sich nahtlos in ein diensteintegrierendes, länderübergreifendes europäisches
Amateurfunknetz einbindet, ohne die Konnektivität zum weltweiten "ampr.org" Netz
zu verlieren.

Wir haben dazu Empfehlungen zur Aufteilung von IP-Netzen nach modernen
Designkriterien entwickelt. Dabei verfolgen wir den Ansatz, dass die neuen
Zonen und Netze administrativ in die Hände derjenigen gehören, die die neuen
Netze aufbauen und betreiben. Jede Gruppe muss einen authoritativen DNS für die
eigene Zone betreiben und dieser muss an die DNS-Hubs über das alte oder das
neue Netz angebunden werden. Dazu ist heutzutage nicht einmal mehr ein
stromfressender "good old PC" zwingend erforderlich, sondern es genügt ein
"embedded System" (WLAN-Router) mit wenigen Watt Leistungsaufnahme, auf dem in
irgendeiner Form ein Linuxderivat läuft. Deshalb sind auch Leistungsauflagen
auf DFMG-Standorten kein KO-Kriterium für die Teilnahme am neuen HAMNET mehr.

PCs und Server müssen nicht mehr an jedem Repeaterstandort stehen. Es genügt 
ein leicht zugänglicher Standort in der jeweiligen Region bzw. im AS-Bereich, 
um eigene, regionale Angebote und Dienste für das gesammte HAMNET erreichbar
einzuspeisen. In diesem Zusammenhang kann auch die Anbindung einer Clubstation
oder eines OV-Heimes mitsamt Schulungsräumen an das HAMNET interessant sein.

Unser Konzept beinhaltet auch die Integration des "old-generation" Packet
-Radio-Netzes in das neue HAMNET. Dadurch werden die unterschiedlichen Layer
AX.25 in HAMNET und PR, sowie das Routing zwischen IP-Nutzern und IP-Diensten im
alten und neuen Netz ermöglicht. Unser bestehendes und bewährtes DNS-Konzept
wurde angepasst, damit eine nahtlose Integration in das HAMNET möglich ist.

Wir haben bisher reservierte Netzbereiche aktiviert, um im neuen Netz
brauchbare Netzeinteilungen zu ermöglichen, ohne auf "Altlasten" Rücksicht nehmen
zu müssen. Hierdurch wird die Konnektivität zum "old-generation-Netz" (IP über
Packet-Radio AX.25) möglich.

Auf einem IP-basierten Netz braucht es ein funktionstüchtiges Routing-Protokoll.
Im österreichischen HAMNET hat man sich für BGP4 entschieden. Das ist auch
das Protokoll, welches das Internet zusammen hält. Wir halten diese Entscheidung
für eine gute und richtige Wahl. Die per BGP vermittelten Routen werden an
einem sogenannten AS (Autonome Zone) "aufgehängt". Ein AS hat eine
(eineindeutige!) AS-Nummer. Um nicht mit existierenden, von der IANA (Internet
Assigned Numbers Authority) im Internet vergebenen Nummern zu kollidieren, wird
im Amateurfunk der "private" AS-Nummernbereich 64512 bis 65535 verwendet. In OE
ist man mit der Modernisierung des Netzes schon einen Schritt weiter und verfügt
mittlerweile über Erfahrungen bei der Umsetzung auf die speziellen Anforderungen
eines funkbasierten, digitalen Amateurfunknetzes.

Die IP-Koordination DL hat sich daher mit den Ländernachbarn abgestimmt und
es wurde eine länderübergreifende Einteilung und Koordinierung der AS-Nummern
konzipiert. Entsprechend dem Ausbaustand des neuen HAMNET verteilen sich die
ersten AS-Nummernblöcke auf die Länder OE, I und DL. Weitere Länder wurden
berücksichtigt und können jederzeit problemlos integriert werden. Dem Aufbau
eines europaweiten Hochgeschwindigkeitsnetzes für Funkamateure auf der
Grundlage dieses HAMNET-Konzeptes steht nichts entgegen.

AS-Nummern müssen netzweit genauso eindeutig sein wie die Vergabe von
IP-Nummern und IP-Netzen. Aus routingtechnischen Gründen ist auch eine
eindeutige Zuordnung von IP-Netzen und AS-Nummern durch eine zentrale Instanz
notwendig. Deshalb hat die IP-Koordination in DL verbandsübergreifend für alle
deutschen Funkamateure die Koordination des AS-Bereiches für Deutschland (64620-
64669) übernommen. Unser Konzept des neuen HAMNET bezieht sich auf die
logischen Strukturen des Netzwerkes und kann selbst weltweite Konnektivität
ermöglichen. Die technische Realisierung jedoch liegt bei den einzelnen
Betreibergruppen. Hier führen, wie bei vielen anderen Dingen auch, bekanntlich
viele Wege "nach Rom". An dieser Stelle möchten wir lediglich noch den Tipp
weitergeben, von Anfang an beim Aufbau des neuen Netzes auch die IPv6-
Fähigkeit mit einzuplanen.

Wir hoffen, mit unserem Konzept einer logischen Netzstruktur und unserer Unter-
stützung die "Techniker" unter den Funkamateuren bei der Realsisierung eines
HAMNET entlasten zu können und freuen uns auf die zahlreichen Berichte aus den
Regionen über den Aufbau des deutschen Teils unseres neuen HAMNET.

Detaillierte Informationen zur Vergabe von IP-Adressen und AS-Nummern stehen im
Wiki der IP-Koordination DL unter http://www.de.ampr.org/. Fragen von
interessierten Betreibern oder Betreibergruppen beantworten wir gern.

Für das DL IP-Koordinatorenteam, Egbert DD9QP und Thomas DL9SAU
  • ip-koordination/beitrag20091122.txt
  • Zuletzt geändert: 15.08.2015 17:25 Uhr
  • von dd9qp